endlich gefunden
und bald wieder Zuhause…
…eine kleine und traurige
Weihnachtsgeschichte
mit einem glücklichen Ende.
Dezember 2021
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Stiftung für Nutztiere
Hauptseestrasse 115
6315 Morgarten / ZG
IBAN CH34 0839 0035 6594 1010 9
Vor fast 3½ Jahren, als wir in unserer
Gründungsphase als Stiftung unser
erstes Projekt starteten und zusammen
mit einem Landwirt aus dem Kt. St.
Gallen seinen Milchbetrieb in eine
Kuhpension umstrukturierten, gab es
unter anderem ein damals 18 Mt. junges
Rind (Bridget), dass wir leider nicht wie
alle anderen Tiere vom Betrieb in die
neue Pension übernehmen konnten, weil
schon im Vorfeld nach «bäuerlichem
Handschlag» Bridget verkauft worden
war.
Ich empfand schon damals diesen «Kuh-
Handel» einfach nicht richtig und war
traurig und auch wütend darüber, dass
Bridget als einzige nicht bleiben konnte.
Nur aufgrund eines traditionellen
Handschlages wurde das Schicksal von
einem leidensfähigen und unschuldigen
Wesen besiegelt, künftig in einer
ausbeuterischen Nutztierindustrie sein
Leben zu verwirken, um letztendlich im
Schlachthof zu enden.
Die Vorstellung und das Wissen darüber,
dass Bridget seinerzeit als liebenswertes
Rind auf der Wiese noch spielend
zusammen mit bereits geretteten Kühen
und Ochsen künftig eine leidvolle und
düstere Zukunft erwartet, belastete mich
stark und ging mir nie aus dem Kopf.
In all dieser Zeit bis zum Tag ihrer
Rettung habe ich nie aufgehört, an
Bridget zu denken und mich an sie zu
erinnern. Ich habe viele schlaflose Nächte
durchlebt. Bilder von industrieller
Ausbeutung und dem seelischen
Schmerz, den die bedauernswerten Kühe
immer wieder durchleben müssen, wenn
man ihnen jeweils ihr Kälbchen kurz nach
der Geburt entreisst und ihr so das
Einzige nimmt, was für eine Mutter von
Bedeutung ist.
Ich habe, wann immer möglich, nach Ihr
gesucht, um sie zurückzuholen, doch die
Abklärungen und die wenigen Angaben,
die ich von Bridget hatte, reichten leider
nie aus, ihren Standort zu ermitteln,
sollte sie denn überhaupt noch am Leben
sein.
Erst viel später erhielt ich Zugang zu der
Tierdatenbank für Nutztiere und mit den
mir vorliegenden Angaben konnte ich
endlich den aktuellen Aufenthaltsort von
Bridget herausfinden.
Ich war sehr erleichtert zu lesen, dass
Bridget überhaupt noch lebt und
gleichzeitig sehr traurig darüber, dass sie
in dieser für sie schlimmen Zeit drei
Kälber auf die Welt brachte und diese alle
bereits im Kindesalter von 6 Mt.
Geschlachtet wurden.
Ich versuchte noch am selben Tag und die
Tage darauf, mit dem Landwirt, wo
Bridget eingestallt ist, telefonisch
Kontakt aufzunehmen. Leider liefen alle
meine Anrufe ins Leere, sodass ich
beschloss, persönlich dem Landwirt auf
seinem Hof meine Aufwartung zu
machen.
Am Samstag, dem 11. Dezember 2021 um
15.06 Uhr begegnete ich Bridget nach
3½ Jahren endlich wieder.
Die junge und lebenslustige Bridget von
damals machte einen sehr traurigen und
gebrochenen Eindruck auf mich.
Gezeichnet von mehr als drei Jahren in
der Nutztierhaltung wurde ihr alles
genommen. Als ich sie mit ihrem Namen
begrüsste und sie am Kopf streichelte,
schaute sie mir in die Augen – es zerriss
mir fast das Herz! So stand Bridget nach
mehr als drei Jahren wieder vor mir und
in ihr wächst bereits ein viertes Kind, wie
mir kurze Zeit später der Landwirt
mitteilte.
Zusammen mit acht anderen bedauerns-
werten Kühen stand sie nun nach so
langer Zeit vor mir, angebunden in einem
kleinen, niedrigen, aber recht sauberen
Anbindestall.
Ich musste meine Gefühle und Emotionen
in diesem für mich glücklichsten
Moment, Bridget endlich gefunden zu
haben, unterdrücken. Aufgrund meiner
Erfahrung würden solche Emotionen bei
der späteren Kaufverhandlung dem
Landwirt allenfalls in die Hände spielen
und den Kaufpreis entsprechend in die
Höhe treiben.
Ich traf auf einen verständnisvollen und
sehr freundlichen Landwirt, der aber doch
sehr überrascht war, nachdem ich ihm die
Geschichte von Bridget und meine Suche
nach ihr erzählt hatte. Ich bat ihn darum,
mir Bridget zu verkaufen, damit ich sie
wieder nach Hause mitnehmen kann,
dorthin, wo sie einst geboren wurde und
nie hätte weggegeben werden dürfen.
Nach Rücksprache mit seiner Frau gab
mir der Landwirt wenige Tage danach die
Zusage, mir Bridget zu verkaufen. Der
Preis, den er verlangte, lag sicherlich
einiges über dem, was ich mir vorgestellt
hatte, doch ehrlich, es war mir egal, ich
hätte auch mehr für sie bezahlt, auf
keinen Fall wollte ich Bridget wieder
verlieren.
Natürlich sind diese für uns nicht
budgetierten Ausgaben für Bridget und
für die wiederkehrenden Pensionskosten
für sie und später auch für ihr Kälbchen,
das sie bei uns selbstverständlich auch
behalten und umsorgen kann, eine
zusätzliche Belastung. Dies kümmerte
mich zu dieser Zeit aber überhaupt nicht.
Wichtig war nur, dass Bridget wieder
nach Hause kommen kann und nie mehr
durch Menschen ausgebeutet wird.
Geschichten und Tragödien von Tieren
aus der Nutztierhaltung begegnen uns als
Stiftung auch immer wieder in Form von
Anfragen und Hilferufen von Menschen,
die solche bedauernswerten Tiere retten
möchten und für sie einen geeigneten
Lebensplatz suchen. Jedes Tier, welches
das Glück hat, von einem Menschen
gerettet werden zu können, hat seine
Geschichte, die es sich lohnt zu erzählen
und auch gehört zu werden.
Bei Bridget betrifft es uns als Stiftung in
diesem Fall sehr speziell.
Es ist für uns deshalb mehr als nur eine
Selbstverständlichkeit, diese gleicher-
massen traurige wie auch glückliche
Geschichte der Öffentlichkeit zugänglich
zu machen.
Hauptsächlich aber ging es uns nur
darum, diesen beiden wunderbaren
Geschöpfen, Bridget und ihrem noch
ungeborenen Kälbchen, ein glückliches
und gemeinsames Leben zu schenken.
Das 3. Kälbchen von Bridget / weibl.
Geboren am 15.12.2020
Geschlachtet am 18.5.2021
Bild wurde uns freundlicherweise vom
Landwirt zur Verfügung gestellt.
Die nachfolgenden Ereignisse konnte ich
recherchieren und zusammentragen,
nachdem ich Zugang zu der
Tierdatenbank für Nutztiere hatte und
mir auch die Ohrmarken-Nr. von Bridget
bekannt war.
Im Weiteren wurde ich auch vom
Landwirt, der mir Bridget
freundlicherweise verkaufte, über die
Umstände und Dringlichkeit des letzten
Transportes zu ihm informiert. Auch
durfte ich von ihm erfahren, wie Bridget
die 3 Jahre auf seinem Hof verbracht
hatte, und bekam auch Einblick über die
unterschiedlichen Geschäftsfelder des
Betriebes. Die Begleitbilder von Bridget
in der nachfolgenden Chronologie
entstanden noch zu früheren Zeiten,
bevor die Odyssee begann.
Am 5. März 2018 wurde Bridget auf dem
Hof ihres damaligen Geburtsortes in
Dietschwil / Kanton St. Gallen im Alter
von 18 Mt. von einem Viehhändler
abgeholt und in einen Transporter
verladen. Bridget war zu diesem Zeit-
punkt bereits ca. im 3. Monat Trächtig.
Während den nächsten 5 Mt. bis zum 30.
Oktober 2018, war Bridget irgendwo in
einem Stall in Wald / Kt. Zürich
untergebracht. Leider ist uns nicht
bekannt, wo genau während dieser Zeit
Bridget eingestallt war und was
überhaupt die Absichten des damaligen
Halters von Bridget bezüglich ihres
weiteren Lebens (Verwendungszweck)
waren.
Bridget wurde am 30. Oktober 2018,
mittlerweile ca. im 8. Monat Trächtig
erneut in einen Transporter verladen und
nach Merenschwand / Kt. Aargau auf
einen Hof mit Mutterkuhhaltung
gebracht. Dort wurde sie, so wurde mir
erzählt, während ihres Aufenthalts und
der Vorbereitung auf die Geburt ihres 1.
Kälbchens, von anderen Mutterkühen im
Stall teilweise stark bedrängt und auch
physisch attackiert. Aufgrund dieser
schlecht verlaufenen Herdenintegration
von Bridget wurde sie auch zu ihrer
Sicherheit nach nur knapp einem Monat
auf einen Hof mit Anbindehaltung
verkauft, in der Meinung, dass Bridget in
dieser Haltungsform von anderen Kühen
nicht mehr attackiert werden kann.
Am 25. November 2018 wurde Bridget
ein weiteres Mal und bereits hochträch-
tig und kurz vor ihrer ersten Geburt
verladen und in eine ca. 17 Autominuten
entfernte Nachbargemeinde Büttikon
im Kanton Aargau auf einen Hof mit
Anbindehaltung gebracht. Bereits zwei
Tage später, am 27. November 2018,
gebar Bridget ihr erstes Kälbchen, zwei
weitere Geburten folgten jeweils in
Abständen von je einem Jahr.
Bridget lebte 3 Jahre auf diesem Hof in
Anbindehaltung. Mir wurde seitens
Landwirtes versichert, dass Bridget, wie
alle anderen acht Kühe auch,
regelmässigen Auslauf und Weidezeit auf
den ihnen zur Verfügung stehenden ca. 5
ha Weideflächen hatten.
Die gemolkene Milch der Kühe wird
privat vermarktet. Der Betrieb selbst
betreibt unterschiedliche
Geschäftsfelder, hauptsächlich wird ein
umfangreicher landwirtschaftlicher
Maschinenpark für diverse Lohn-
arbeiten gepflegt, ferner werden ca.
zusätzlich 22 ha Ackerland bestellt mit
Zuckerrüben, Mais, Raps, Kartoffeln und
Weizen. Im Weiteren wird eine
Pferdepension betrieben, die weiter
ausgebaut werden soll.
Die neun Kühe werden hauptsächlich für
die Kälbermast gehalten und wie mir
weiter mitgeteilt wurde, sind
Überlegungen im Gange, diesen Bereich
aufzugeben.
Am 11. Dezember 2021 fand ich Bridget
endlich nach 3½ Jahren bangen und
suchen in einem kleinen Anbindestall in
Büttikon. Am 19. Dezember 2021 einigten
sich der Landwirt und ich auf den
Kaufpreis für Bridget und besiegeln den
Kauf vor Ort an unsere Stiftung für
Nutztiere.
In den kommenden 2–3 Wochen wird
Bridget vom Landwirt langsam
ausgemolken und trocken gestellt. Im
Weiteren werden bei Bridget noch
tierärztliche Untersuchungen
durchgeführt.
Sie wird unter anderem auf BVD getestet
(aufgrund ihrer Trächtigkeit), und die
Klauen werden auf mögliche Entzün-
dungen (Mortellaro) untersucht. Ferner
wird ein Blutbild erstellt sowie eine
Kotuntersuchung vorgenommen. Beides
soll sicherstellen, dass Bridget auch
organisch gesund ist und ausge-
schlossen werden kann, dass nicht
erwünschte Keime und/oder Bakterien in
ihr neues Zuhause eingeschleppt werden.
Wenn alles gut verläuft und sich bei
Bridget keine gesundheitlichen
Bedenken ergeben, werden wir sie in der
ersten Januarwoche 2022 in ihr neues,
altes Zuhause in die Oberschönau im
Kanton St. Gallen bringen.
Am 21. & 28. Dezember 2021 wurde von
der Tierärztin die Blut- und Kotproben-
entnahme sowie die Klauenkontrolle
durchgeführt.
Die anschliessende Auswertung der
Laborbefunde waren alle negativ, d.H.
Bridget ist gesund und kann mit gutem
Gewissen in ihr neues Zuhause gebracht
werden. Da die Integrations- und
Krankenbox in der Schönau noch von der
rekonvaleszenten Mutterkuh Fiona
belegt ist, verzögert sich der Transport
von Bridget um 1 bis 2 Wochen.
Endlich! Der Mittwoch, 19. Januar 2022,
wird wohl der neue Geburtstag von
Bridgets zweitem Leben. Nach gut 1½
Std. Fahrtzeit kam der Transporter mit
Bridget um 12.25 Uhr wohlbehalten in der
Oberschönau an. Alles war schon
vorbereitet und in aller Ruhe führten wir
Bridget in ihr neues (altes) zu Hause. Ich
fragte mich, ob sie wohl ihren
ehemaligen Geburtsort, mit all seinen
Gegebenheiten, in welcher sie doch die
ersten 18 Monate ihres Lebens verbracht
hatte, noch kennen würde. Sie schaute
jedenfalls sehr interessiert und neugierig
um sich, und nach meinem Empfinden
fühlte sich Bridget auch gleich wohl in
dem vorerst noch bescheidenen
Integrationsbereich.
Vielleicht lag es aber auch nur daran,
dass sie nicht mehr angebunden wurde
und sie sich frei bewegen konnte. Es
dauerte auch nicht lange, schon kamen
die zukünftigen ArtgenossenInnen, um
Bridget kennenzulernen.
In den nächsten Tagen und Wochen kann
Bridget, wenn die meisten Tiere draussen
im Schnee sind, in den Laufstall und den
Liegebereich, um sich umzuschauen, sich
ausgiebig zu bewegen und mit den einen
oder anderen Tieren im Stall bereits
Freundschaften schliessen.
Ich danke dem Landwirt Kurt S., dass er
bereit war, mir Bridget zu verkaufen und
er in der Zeit, wo sie noch bei ihm war,
gut für sie gesorgt hatte. Auch danke ich
Isabelle von Herzen, dass Sie Bridget mit
offenen Armen empfangen und in die
Pension aufgenommen hat.
Die Bilder in der Dia-Show zeigen die
Ankunft von Bridget in der Schönau und
die darauffolgenden Tage im
Freilaufstall.
Wir freuen uns sehr, dass die Odyssee
von Bridget hier für sie endlich ein Ende
gefunden hat. Auch freuen wir uns auf
den Tag im März 2022, wenn Bridget, ihr
4. Kälbchen auf die Welt bringen wird
und mit ihm zusammen als kleine
Familie in der grossen Pensionsherde in
der Schönau ein artgerechtes und
behütetes Leben verbringen kann.
Wer uns bei Bridget unterstützen
möchte, ist herzlich eingeladen. Als
Patin oder Pate von Bridget oder ihrem
zukünftigen Kälbchen helfen Sie aktiv
mit, dass wir weitere Tiere aus der
Nutztierhaltung herauskaufen können,
um auch ihnen ein besseres und
artgerechtes Leben zu ermöglichen.
Erfahren Sie mehr von Bridget und
ihrem Kälbchen >> HIER.
Herzlichen Dank!
Stiftung für Nutztiere - 26.01.2022
Die Odyssee von Bridget
Persönliche Anmerkung:
Meine hier erzählte Geschichte über
Bridget ist eine von vielen Erlebnissen,
die ich in all den vergangenen Jahren mit
Tierrettungen erlebt habe. In jeder dieser
Geschichten sind immer viele Emotionen
und auch Tränen geflossen. Als Mensch
bin ich in der Lage, meine Gefühlswelt
und meine darin wirbelnden Emotionen
mehrheitlich kontrollieren zu können.
Ich bin in der Lage, abschätzen zu
können, was passieren kann, wie es
passiert und wann es passiert, und ich
weiss in den meisten Fällen auch, warum
es passiert. Die Tiere, denen ich helfen
konnte, aber leider auch den vielen,
denen ich nicht helfen konnte, haben
diese Fähigkeiten nicht. Doch ich weiss
und bin mir sicher, dass sie genauso wie
wir Menschen spüren, wenn Schlimmes
auf sie zukommt. Es sind leidensfähige
Geschöpfe, die seelische wie auch
körperliche Schmerzen empfinden
können, und dennoch werden sie von
unserer Gesellschaft wie eine Ware
behandelt und sind uns Menschen auf
Gedeih und Verderben ausgeliefert.
Mit dieser Geschichte über Bridget
möchte ich versuchen, den Menschen
wieder näher an diese wunderbaren und
sensiblen Tiere heranzuführen, um
ihnen auch die Möglichkeit zu eröffnen,
das zu hinterfragen, bei dem die
allermeisten Menschen
bedauerlicherweise immer noch
wegschauen.
Ich lade deshalb alle interessierten
Menschen herzlich dazu ein, Bridget und
auch die anderen von uns geretteten
Tiere bei uns zu besuchen. Melden Sie
sich über das KONTAKTFORMULAR bei
uns und erleben Sie eine unvergessliche
Zeit zusammen mit wunderbaren und
liebevollen Geschöpfen, die unsere
zumeist empathielose Gesellschaft in der
Regel leider nur als abgepacktes Stück
Fleisch in einer der vielen Kühltruhen
kennt.
Markus Bosshard - StifNu